Artist Talk (Online): Dani & Sheilah ReStack in conversation with Fox Hysen, Maggie Nelson, and Molly Zuckerman-Hartung.
Mi/Wed, 16.02.2022, 19:00 CET. Video zum Talk / Video of the Talk:
BITTE BEACHTEN SIE: Die Ausstellung enthält explizite Inhalte und ist für Besucher*innen ab 18 Jahren empfohlen. / PLEASE NOTE: The works on display contain graphic material. Viewer’s discretion is advised.
Der Kunstverein Nürnberg freut sich sehr, die erste institutionelle Einzelausstellung “Feral Domestic” der Künstlerinnen Dani und Sheilah ReStack in Europa zu präsentieren.
Mit der Premiere der abgeschlossenen Filmtrilogie “Strangely Ordinary This Devotion” (2017), “Come Coyote” (2018) und “Future From Inside” (2021) versteht sich “Feral Domestic” als Vorschlag für alternative Formen des Be(i)wohnens von Häuslichkeit und Zähmung (domesticity). Die Trilogie schlägt Liebe, queeres Begehren, Fantasie, Zusammenarbeit, Freundschaft und neue Familienformen vor, und diese als sich überschneidende Orte des Widerstands gegen patriarchale Strukturen zu leben. Die Filme basieren dabei lose auf einer Erzählung über lesbische Hexen, die Kindern die Fähigkeit verleihen können, ohne Wasser zu leben, und zeigt sowohl inszeniertes als auch dokumentarisches Material aus dem Leben der Künstlerinnen. Zusammengehalten durch Montagen, die sich auf eine haptische Logik von Farben, Formen und Klängen stützen, ermöglichen es diese Verflechtung der Stile in „Feral Domestic“ den Betrachter*innen, sowohl alltägliche als auch imaginierte Möglichkeiten des planetarischen und persönlichen Überlebens im Zeitalter des Klimawandels zu erleben.
“Strangely Ordinary this Devotion” beginnt mit einer Einstellung, in der Sheilah einen Stein in Danis Mund legt. Die Kamera beleuchtet Danis Gesicht und ihr verblichenes, blaues T-Shirt ungleichmäßig vor einer gelbgrünen Hängematte. Als sie ihren Mund schließt, setzt das nicht-diegetische Geräusch von Wasserblasen ein. Dieses symbolische Verschlucken des Steins suggeriert eine Art Umkehrung. Ein Öffnen in die Welt, wie Luft, die zur Oberfläche eines Sees aufsteigt. Die nächste Einstellung zeigt Rose, Sheilahs Tochter, in der Dunkelheit. Ihr Gesicht wird von einem Bildschirm beleuchtet. Im nächsten Bild ist die Familie auf einer Reise nach Utah zu sehen. In gebückter Haltung stapeln sie Steine auf ihren Rücken und ahmen so ihre Umgebung, natürliche Felsformationen nach. Einen Filmschnitt später durchsticht eine Nadel Dani’s Kopfhaut, ein Arzt führt einen chirurgischen Schnitt durch. Dani ReStack beschreibt diesen im Begleitmaterial zur Ausstellung. Er soll die Angst vor der Elternschaft herausschneiden. Diese Rituale in SOtD, alltäglich und andächtig zugleich, erzeugen so momenthafte Strukturen.
“Come Coyote” zeichnet den Versuch der Künstlerinnen nach, ein Kind zu bekommen. “Come to be” sagt Dani, während sie eine Spritze mit Sperma füllt. Augenblicke später steht Dani vor der Kamera und wirft Sheilah vor, ihr Wort gebrochen zu haben: “Du hattest gesagt, dass du ein Kind willst.“ Wasser läuft aus einem Beutel in einen gelben Plastikschlitten. Rose schleift ihn durch den Schnee. Sheilah trinkt Wasser aus Danis Brustkorb. “Flüssigkeiten laufen aus, ob es dir gefällt oder nicht“, schreiben die Künstlerinnen auf den begleitenden Prints zur Ausstellung.
In „Future from Inside“ wird ein Topf voll Wasser geschüttet, gedreht, umkreist, geleert, gehalten, gestapelt, hantiert, beobachtet, nachgeformt. Der Film zeichnet eine Reise durch Aggregatzustände nach. Dani und Sheilah ReStack reisen nach Norden, wo Eis im Meer schwimmt, während Aufnahmen von Gesprächen zwischen Freunden gegengeschnitten werden.
Dani sagte einmal, die Kamera störe ihre Fähigkeit, in ihrem eigenen Körper zu sein. Dennoch scheint die Arbeit von Sheilah und Dani ReStack ein Versuch zu sein, diese Lücke zu schließen. Die Distanzen in Feral Domestic sind intensiv und intim, nach innen und außen. Sheilah, Dani und Rose sind gemeinsam daran beteiligt, Kunst von und für ihr gemeinsames Leben zu produzieren. Diese Intimität wird zum Ausgangspunkt für die gemeinsame Praxis. Gemeinsame Erfahrungen, gemeinsame Konflikte, gemeinsames Leben.
Dieser geteilte Raum wird durch symbolische und ritualisierte Arbeit aufgeladen. Häusliche Rituale können, wie bell hooks festgestellt hat, Orte des Widerstands gegen das Patriarchat werden. Die wiederkehrenden „stacks“ suggerieren momenthafte Organisationsprinzipien, die jede feste Vorstellung von Hegemonie kontinuierlich verdinglichen und destabilisieren. Ihr selbst gewählter Nachname, ReStack, ist eine Hommage an Anne Carsons Gedicht „Stacks”. Es spiegelt den Wunsch, Werte neu zu „stapeln“. Manche Stapel erscheinen in der Familie, und andere, wie die Felsformationen in New Mexico, scheinen einfach so zu existieren. Diese „stacks“, zu denen die Bewohner der Trilogie gehören, sind durch eine Gleichzeitigkeit von mit- und ineinander verknüpften Perspektiven bestimmt. Diese, sowohl momentanen als auch andauernden Perspektiven teilen die drei Protagonistinnen in Feral Domestic.
Dani Restacks Arbeiten waren u.a. zu sehen in der Radclyffe Hall, Glasgow, UK, der Gaa Gallery, Wellfleet, MA, dem Chapter Cardiff, UK, der Whitney Bienniale, 2017, dem Rotterdam International Film Festival, dem Ann Arbor Film Festival, den UnionDocs und am MoMA PS1. Sie erhielt Auszeichnungen u.a. vom Kazuko Trust, Eileen Maitland, der Astraea Lesbian Foundation for Justice Visual Arts, und dem Wexner Center for the Arts. Sie ist Associate Professor of Art an der Ohio State University.
Sheilah ReStacks Arbeiten waren u.a. zu sehen im Museum of Fine Arts, Santa Fe, dem Columbia College, Chicago, dem Antioch College, Ohio, dem Knockdown Center, New York, am Blue Building, Nova Scotia und in der Enjoy Public Art Gallery, New Zealand. Sie erhielt zudem das Howard Foundation Fellowship for Photography, und den Judy Chicago Award. Sie ist Associate Professor of Art and Chair of Studio Art an der Denison University, Ohio.
Gemeinsame Arbeiten von Dani & Sheilah ReStack waren u.a. auf der Whitney Biennale 2017, den Iceberg Projects Chicago, dem Toronto International Film Festival, am Lyric Theater, Carrizozo, NM, im Leslie Lohman Project Space, NY, und am Columbus Museum of Art, OH zu sehen. Grants u. a. durch das Canada Council for the Arts, sowie das Ohio Arts Council. Beide waren zudem Residents am The Headlands in Marin County und der MacDowell Colony.